Jakob Ignaz Herbst
Sendtner
1784
– 1833 Welch schaurig Lüftchen durch
die Laube streift!
Wie’s rauschend niederbebt von Ast und Zweigen!
Ach, schon herab auf deinen Busen neigen,
Natur, die Blätter sich, von Frost bereift!
O Anblick, der mit Wehmuth mich ergreift!
Die Nebel dicht von Bergen niedersteigen,
Die Thäler rings so melancholisch schweigen,
Und kühler Thau auf falbe Fluren träuft.
Ein Mädchen still und leise kömmt gegangen,
Das klagt: wie sind des Waldes holde Lieder,
Wie sind des Feldes Blumen rasch verschwunden!
Ach, eingedenk der schönen Blüthenstunden,
Blickt es betrübt auf welkes Laub hernieder,
Und Thränen rollen heiß von seinen Wangen!
Sendtner
1784
– 1833 Wie so spät beginnt der Tag zu
grauen,
Und wie schnell auf stürmischem Gefieder
Senkt der lange Abend sich hernieder
Auf die dunklen, schneebedeckten Auen!
Mag es stürmen, Freunde, oder thauen;
Glücklich, wer im Kreise wackrer Brüder
Sich erfreut des Weines und der Lieder
Und, was süßer ist, der holden Frauen.
Ja, wenn funkelnd an bereiften Zweigen
Bebt des Mondes Strahl in heitern Nächten,
Und die Sterne hell und klar sich zeigen;
O dann eilet auf der Freude Flügeln,
Huldigend den reinen Himmelsmächten,
Zu der Freundschaft ew’gen Sonnenhügeln!
Sendtner
1784
– 1833 Sieh, meine Laura, wie aus
klaren Räumen
Mit seinem Blick voll milder Himmelsbläue
Der Frühling schon inbrünstig seine treue
Geliebte weckt zu hochzeitlichen Träumen!
Sieh, zart beginnt das junge Laub zu keimen;
Die Erde, voll der süßen Liebesweihe,
Erschließt dem Lichte ihren Schooß auf’s Neue,
Und tausend frische Lebensquellen schäumen.
Bring’, Herzensweib, den schöngelockten Knaben,
Das gleich den Lämmern auf der grünen Weide
Er sich an jeder Blume möge laben,
Und laß, wenn er in unbegränzter Freude
Umher sich treibt, ein Glücklicher auf Erden,
Uns Kinder seyn, um froh, wie er, zu werden!
Sendtner
1784
– 1833 Ich sah es wie von oben
niedersteigen,
Ich hört’ es wie von ferne lieblich klingen;
Es war ein leises, wunderbares Singen.
Ihm horchte alle Welt mit tiefem Schweigen.
Ich sah den Mond sich sanft herunterneigen
Und aus den Wolken alle Sterne dringen,
Und was die Luft bewohnt mit leichten Schwingen,
Im bunten Federschmucke stolz sich zeigen.
Und unten öffneten sich alle Blumen,
Es goß ein Meer sich aus von Blüthendüften,
Und jedes Wesen zitterte in Wonne.
Doch lag auf allen heiliges Verstummen.
Man hörte wie von ferne in den Lüften
Die Stimme nur der Zauberin Adone!